Wohnungskauf: Erhaltungsrücklage kann Grunderwerbssteuer nicht mindern
Bei einem Wohnungskauf mindert die Erhaltungsrücklage für Instandsetzungen nicht die Grunderwerbssteuer. Dies entschied in letzter Instanz der Bundesfinanzhof (Az.: II R 49/17, Urteil vom 16.09.2020). Als Immobilienmakler werden wir im Zuge der Immobilienvermarktung von Eigentumswohnungen gelegentlich nach diesem Fakt befragt, daher der nachfolgende Beitrag.
Worum dreht es sich im Kern?
Wer eine Sondereigentumseinheit wie eine Eigentumswohnung, einen Stellplatz oder eine Gewerbeeinheit kauft, erwirbt Sondereigentum, das als Miteigentumsanteil zum Gemeinschaftseigentum gehört. Der Bundesfinanzhof hatte im Herbst 2020 zu klären, ob beim betreffenden Immobilienkauf die sogenannte Erhaltungsrücklage (früher bekannt als Instandhaltungsrücklage) Einfluss auf die Grunderwerbsteuer hat und diese mindert, was ein Käufer verlangt hatte. Diese Frage beantwortete der BFH klar mit „nein“. Die Instandhaltungsrücklage ist nach der Auffassung des Bundesfinanzhofes Teil des Vermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft für deren Verwaltung. Daher können weder Verkäufer*innen noch Käufer*innen Verfügungen über diese anteilige Erhaltungsrücklage treffen. Sie gehört auch nicht zum Eigentum von Verkäufer*innen und kann daher nicht wie Zubehör zum Grundstück verkauft werden. Regelungen darüber können aus diesem Grund nicht den steuerrelevanten Kaufpreis mindern. In wirtschaftlicher Hinsicht ist die Erhaltungsrücklage ein Teil der zu bezahlenden Leistung für den Erwerb des Grundstücks – auch dann, wenn ihr Wert als Kaufpreisteil gesondert im Kaufvertrag ausgewiesen wird. In dieser Funktion unterliegt sie der Grunderwerbsteuer.
Juristische Betrachtung der Erhaltungsrücklage
Als Immobilienmakler leisten wir zwar keine Rechtsberatung, dennoch sei die juristische Betrachtung der Erhaltungsrücklage an dieser Stelle erlaubt. Sie gehört in rechtlicher Hinsicht zum Kaufpreis für das Grundstück und muss daher vom Finanzamt diesem für die Berechnung der Grunderwerbssteuer zugerechnet werden. Dies gilt auch bei einem gesonderten Ausweis im Kaufvertrag, der mithin in steuerlicher Hinsicht nicht nötig wäre. Dieser gesonderte Ausweis erfolgt quasi als Hinweis an Käufer*innen, dass ihr Kaufpreis die Instandhaltung des Objekts inkludiert.
Worum ging es im vor dem BFH verhandelten Fall?
Im vorliegenden Fall hatte die spätere Klägerin 13 Sondereigentumseinheiten erworben. Der Gesamtbestand umfasste vier Gewerbeeinheiten und neun Stellplätze. Der Gesamtkaufpreis betrug 40.000 Euro. Das Finanzamt setzte auf dieser Basis die Grunderwerbssteuer fest. Die im Kaufvertrag ausgewiesene anteilige Erhaltungsrücklage betrug 14.815,16 Euro. Die Käuferin war der Auffassung, dass der Kaufpreis für die Ermittlung der Grunderwerbssteuer um diesen Betrag zu mindern sei. In ihrem notariellen Kaufvertrag war vereinbart worden, die Erhaltungsrücklage für die Übernahme desjenigen Guthabens zu zahlen, das der Vorbesitzer für Instandhaltungen angespart hatte. Die Klägerin argumentierte daher, dass die Erhaltungsrücklage eine Geldforderung sei, die auf sie als Erwerberin übergehe. Sie gehöre damit nicht zu den erworbenen Immobilien. Das Finanzamt Köln und das in erster Instanz angerufene Finanzgericht Köln sahen das anders und forderten die Grunderwerbssteuer für 40.000 Euro. Der BFH bestätigte diese Auffassung in zweiter Instanz und wies damit die von der Klägerin eingelegte Revision gegen das Urteil des FG Köln zurück. Im Zuge unserer Immobilienvermarktung hören wir gelegentlich von solchen Fällen und müssen daher die vom Finanzamt und den Finanzgerichten vertretenen Auffassungen bestätigen. Die Auffassung der Klägerin, die Erhaltungsrücklage sei eine auf sie übergehende Geldforderung, ist nicht korrekt. Sie dient ausschließlich der Instandhaltung.
Weitere Hinweise zum Fall
Es mag passieren, dass Verkäufer*innen fordern oder Käufer*innen anbieten, bei der Transaktion von Sondereigentum die Erhaltungsrücklage für eine Kaufpreisminderung an die Verkäufer*innen auszuzahlen, um damit den Kaufpreis und somit die Grunderwerbssteuer zu mindern. Die Verkäufer*innen müssten dann das Geld für Instandhaltungen auf einem Sonderkonto deponieren. Dies ist rechtlich in mehrlei Hinsicht nicht korrekt:
- a) Die Erhaltungsrücklage gehört ins Wohnungsverwaltungseigentum. Es ist zu garantieren, dass sie im Falle von nötigen Instandhaltungen zur Verfügung steht, was auf einem Sonderkonto von Verkäufer*innen nicht mehr zu garantieren ist.
- b) Hin steuerlicher Hinsicht würde es sich um eine unzulässige Steuerverkürzung handeln.
Neben der Minderung des Verwaltungsvermögens der WEG könnte die gesonderte Zahlung der Erhaltungsrücklage an den/die Verkäufer*in rechtlich als Schenkung betrachtet werden. Hierfür ist kein sachlicher Grund zu erkennen. Es gibt manchmal den Versuch, mit so einer Zahlung eine durch zahlungsunfähige Miteigentümer*innen belastete WEG zu sanieren, indem neue solvente Eigentümer*innen ins Boot der WEG geholt werden. Doch solche Beschlüsse der WEG-Versammlung sind grundsätzlich anfechtbar: Sie entsprechen nicht der ordnungsgemäßen Verwaltung. Es ist allerdings Käufer*innen von Sondereigentumseinheiten zu empfehlen, den ideellen Anteil der Erhaltungsrücklage im Notarvertrag als Bestandteil des Kaufpreises auszuweisen. Wenn dieser Hinweis fehlt, ist sogar das Szenario denkbar, dass das Finanzamt die Erhaltungsrücklage gesondert zurechnet und damit eine höhere Grunderwerbssteuer errechnet. Solche Fälle sind zwar selten, aber nicht undenkbar.