Immobilie vererben oder zu Lebzeiten verschenken?
Immobilie vererben oder zu Lebzeiten verschenken? Wer eine Immobilie zu vererben hat, kann sie auch zu Lebzeiten verschenken. Dieser Gedanke kommt auf, weil der Erblasser seine Verhältnisse klären möchte. Hinzu kommt ein wichtiger steuerlicher Aspekt: Es gibt zwar bei der Erbschaft und bei der Schenkung (fast) identische Steuersätze (Erbschafts- oder Schenkungssteuer) und ebenso identische Freibeträge je nach Verwandschaftsgrad, jedoch kann der Erblasser die Schenkung so steuern, dass keine Schenkungssteuer anfällt.
Erklärung der steuerlichen Gegebenheiten
Die steuerlichen Gegebenheiten wollen wir gleich klären, wobei wir nur auf die grundlegenden Verwandtschaftsverhältnisse eingehen. Bei Erbschaft und Schenkung kennt das Steuerrecht Steuerklassen, die nichts mit der Einkommenssteuerklasse zu tun haben, aber auch römische Ziffern tragen. Diese beinhalten Steuerfreibeträge. Unter die Steuerklassen I fallen Ehegatten, Kinder und (wenn die Kinder verstorben sind) Enkel, aber auch Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, wenn der Nachkomme vorzeitig stirbt und vererbt. In dieser Steuerklasse gibt es einen Freibetrag bis 500.000 Euro. In die Steuerklasse II fallen Geschwister, Nichten und Neffen, Stiefeltern, Schwiegereltern und -kinder sowie Ex-Partner. Die Steuerklasse III umfasst alle übrigen Erben, auch den Lebensgefährten, wenn es sich nicht um eine eingetragene Lebenspartnerschaft handelt. Die Freibeträge reichen von 500.000 Euro (Steuerklasse I, aber nur Ehepartner und Partner der eingetragenen Lebensgemeinschaft) abwärts bis zu 20.000 Euro. Bei Kindern sind es beispielsweise 400.000 Euro, bei Eltern und Großeltern im Erbfall 100.000, im Schenkungsfall 20.000 Euro. Ein wichtiger Aspekt: Eine Schenkung kann alle 10 Jahre unter Inanspruchnahme des Freibetrages wiederholt werden. Das ist wichtig bei der Entscheidung, ob vererbt oder verschenkt werden soll. Eine große Rolle spielen zudem die Steuersätze, die vom vererbten Vermögen über dem Freibetrag abhängen. Sie bewegen sich je nach Vermögen und Erbschaftssteuerklasse zwischen 7 und 50 %.
Unter welchen Umständen sollte über Schenkung vs. Erbe nachgedacht werden?
Die Frage Schenkung oder Erbe stellt sich unter der Rahmenbedingung, dass der Wert der Immobilie den Freibetrag der Erben übersteigt. Das wird fallweise sehr individuell ausfallen. Wenn absehbar ist, dass auf die Erben eine Erbschaftssteuer zukommt, ist die Schenkung der bessere Weg. Natürlich ist es denkbar, dass der Erblasser zusätzliches Barvermögen vererbt, aus dem die Erbschaftssteuer zu begleichen wäre. Es gibt aber noch weitere Aspekte abseits der Steuer, die für diese Frage interessant sind. So befürchten manche Erblasser einen Streitfall unter den Erben, die sie ja schließlich gut kennen – meistens sind es die eigenen Kinder. Mit einer Schenkung lässt sich die Aufteilung des Erbes durch den Erblasser aktiv steuern. Natürlich erfüllt ein Testament den gleichen Zweck, doch Erblasser haben in ihren letzten Lebensjahren (so der Normalfall) den Wunsch, die Verhältnisse klipp und klar geregelt zu sehen. Manche von ihnen misstrauen der Testamentsvollstreckung. Das mag unbegründet sein, doch beim Erbe spielen Emotionen die größte Rolle. Jeder etwas ältere Mensch macht sich Gedanken darüber, was er hinterlässt. Streit unter den Erben soll nicht dazugehören.
Ausnutzung der Freibeträge im Abstand von zehn Jahren
Bei großen Vermögen gilt es, das Vermögen zu Lebenzeiten stufenweise im Abstand von 10 Jahren zu verschenken. Das muss zeitig geplant werden, denn wer mit rund 60 Jahren über sein Erbe nachdenkt, weiß nicht, ob er 70, 80 oder 90 Jahre alt wird. Wichtig wäre das indes, denn alle zehn Jahre können die Beschenkten und Erben in spe den Freibetrag ausschöpfen. Zudem sinkt bei Teilschenkungen der Steuersatz. Wenn es sich nun um eine Immobilie handelt, die schon zu Lebzeiten verschenkt wird, fragt es sich, wo der Erblasser wohnen soll.
Nießbrauch als Königsweg
Der Königsweg ist der Nießbrauch. Dieser bedeutet, dass der Erblasser bis zum Lebensende mietfrei in seiner Immobilie wohnen darf, auch wenn diese schon einem oder mehreren künftigen Erben gehört. Nießbrauch bezieht sich übrigens auch auf vermietete Immobilien: Deren Einnahmen stehen vollständig dem Nießbrauchnehmer zu, der sie für seine Altersvorsorge nutzen kann. Hinzu kommt ein Steuervorteil: Durch den Nießbrauch mindert sich der Wert der Immobilie, weil sie schließlich der neue Inhaber und Nießbrauchgeber nicht vollumfänglich für sich nutzen kann. Für den geringeren Wert fällt naturgemäß eine geringere steuerliche Belastung an. Im besten Fall sinkt der Wert der Immobilie sogar unter den Freibetrag des oder der Beschenkten. Allerdings hat dieses Modell den Nachteil, dass Pflichtteilberechtigte erst nach Ende des Nießbrauchs, für gewöhnlich also nach dem Ableben des Erblassers, ihren Anspruch anmelden können. Dann beginnt für sie eine Zehnjahresfrist für die Anmeldung zu laufen. Wenn es aber außer dem oder den Beschenkten keine anderen Pflichtteilberechtigten gibt, ist der Nießbrauch das Mittel der Wahl.