Wohnungseigentümer*innen müssen auf eigene Rechnung ihre Wohnungseigentumsanlage sanieren lassen, selbst wenn dies für sie sehr teuer werden sollte. Das hat der Bundesgerichtshof im Herbst 2021 entschieden. Die Pflicht zur Sanierung gilt auch bei einem Sanierungsstau durch mangelnde Instandhaltung oder Überalterung der Immobilie.
Zum verhandelten Fall vor dem BGH
Im verhandelten Fall des BGH ging es um die Sanierung eines über 40 Jahre alten, stark sanierungsbedürftigen Parkhauses mit insgesamt 11 Ebenen, das zu einer WEG-Anlage gehört (BGH-Urteil vom 15.10.2021, Az.: V ZR 225/20). Von dem Parkhaus wurden noch drei Ebenen als Sondereigentum einer GmbH genutzt. Diese hatte die betreffenden Ebenen an ein Hotel in der Nachbarschaft vermietet. Wegen gravierender Mängel waren die übrigen acht Ebenen schon seit Jahren außer Betrieb. Schließlich verlangte das Bauamt auch für die drei noch in Betrieb befindlichen Ebenen Nachweise, dass die brandschutztechnischen Mindestanforderungen eingehalten werden. Diese Nachweise waren nicht zu erbringen. Daraufhin verhängte die WEG per Mehrheitsbeschluss für die restlichen drei Ebenen ein Nutzungsverbot, das sie mit mangelnder Verkehrssicherheit begründete. Die Wohnungseigentümer*innen waren sich mehrheitlich darüber einig, dass sie das Parkhaus nicht auf eigene Kosten sanieren wollen. Dies hatten sie schon in der Vergangenheit abgelehnt. Stattdessen sollte die GmbH, welche die drei Ebenen zuletzt genutzt hatte, diese auf eigene Kosten sanieren und dann auch wieder nutzen dürfen. Die GmbH klagte gegen diesen Beschluss vor dem AG Augsburg, wo sie unterlag. Anschließend ging sie in Berufung, der Fall landete vor dem LG München. Auch dieses entschied gegen die GmbH und zugunsten der WEG. Die GmbH ging wieder in Berufung, der Fall landete vor dem Bundesgerichtshof. Dort bekam die GmbH Recht. Die obersten Richter entschieden, dass die Wohnungseigentümer*innen zur Sanierung verpflichtet sind.
Zur Urteilsbegründung
In dem BGH-Urteil heißt es, dass Wohnungseigentümer*innen verpflichtet sind, gravierende bauliche Mängel des Gemeinschaftseigentums zu veranlassen, wenn diese eine zweckgemäße Nutzung des Sondereigentums erheblich beeinträchtigen oder gar ausschließen. Das Argument, dass für sie die Sanierungskosten nicht zumutbar seien, zähle in diesem Fall nicht, so die BGH-Richter. Des Weiteren könnten sich die Eigentümer*innen nicht per dauerhaftem Nutzungsverbot ihrer Pflicht zur Sanierung entziehen. Es sind zwar Nutzungsverbote für Wohnungseigentumsanlagen möglich. Rechtmäßig sind sie aber nur, wenn es keine Sanierungspflicht für die Wohnungseigentümer*innen gibt, weil das Gebäude durch punktuelle Ereignisse zerstört wurde (§ 22 Wohnungseigentumsgesetz). Solche Ereignisse sind unter anderem:
- Explosion
- Brand
- Überflutung
- Erdbeben
Ein normaler Sanierungsstau infolge von Überalterung hingegen verpflichte die WEG zu Sanierungsmaßnahmen, die auch für alle anderen Bereiche der Wohnungseigentumsanlage durchzuführen seien.
Was bedeutet dieses Urteil des BGH?
Grundsätzlich stellt der BGH fest, dass hohe Kosten kein Argument gegen eine Sanierung sein können. Diese sei durchzuführen, selbst wenn sie einzelne Eigentümer*innen wirtschaftlich überfordern sollte. Ansonsten drohe das Gemeinschaftseigentum zu verfallen und unbenutzbar zu werden, was zu Eigentumsschäden für alle Eigentümer*innen führen würde. Es erschließt sich daraus auch, dass einzelne Eigentümer*innen aufgrund dieses Urteils künftig einfacher eine Sanierung einfordern können. Sie werden hierfür wie üblich einen Antrag in der Eigentümerversammlung einreichen. Wenn hier aber kein Mehrheitsbeschluss für die Sanierung zustande kommt, können die Antragsteller*innen eine Beschlussersetzungsklage einreichen. Diese würde dann den entsprechenden Beschluss erzwingen. Die Kosten für die Erhaltungsmaßnahmen werden unter den Wohnungseigentümer*innen gemäß ihrer Miteigentumsanteile anteilig aufgeteilt, wenn die Gemeinschaftsordnung nichts anderes bestimmt. Es ist jeder WEG zu raten, keinen Sanierungsstau entstehen zu lassen, damit diese Kosten nicht ausufern. Wer selbst eine Eigentumswohnung kaufen möchte, sollte mit dieser Rechtslage vertraut sein und am besten im Vorfeld eine Berechnung des Hauswertes über einen Immobilienmakler durchführen lassen. Wir können für Sie den Wert einer Immobilie ermitteln und anschließend einschätzen, was an zusätzlichen Sanierungskosten auf Sie in den nächsten Jahren zukommen könnte, wenn Sie sich jetzt in der Anlage eine Wohnung kaufen. Hilfreich für solche Recherchen sind auch Protokolle von Eigentümerversammlungen, Jahresabrechnungen und Wirtschaftspläne. Sollten beispielsweise auf Eigentümerversammlungen der letzten Zeit Sanierungsmaßnahmen beschlossen worden sein, die aber die WEG noch nicht in Angriff genommen hat, so wären Sie nach dem Kauf unmittelbar mit im Boot und müssten sich an den Kosten beteiligen. Auch Sonderumlagen für Erhaltungsmaßnahmen wären denkbar. Um deren Höhe einzuschätzen, können wir uns die Instandhaltungsrücklage einer WEG anschauen. Weitere Fragen betreffen deren allgemeine Finanzlage, die Höhe des Hausgeldes und die Zuverlässigkeit der Zahlungen aller Miteigentümer*innen. Wenn einzelne von ihnen Schulden bei ihrer WEG haben, wäre dies ein schlechtes Zeichen.
Wir beraten Sie gern zu allen Fragen rund um den Immobilienkauf!